Liebes Archiv...Einträge vom November 2005

Ist Stromausfall geil?

Was empfinden die Deutschen, wenn ihnen schwarz vor Augen wird sie die volle Härte der Naturgesetze trifft? Wenn ihnen Sachen widerfahren, die einen Asbach Uralt wert sind die man sonst nur über Entwicklungsländer im Fernsehen sieht? Liegen sich jung und alt, arm und reich, Hartz IV und Steuerklasse 1 herzend in den Armen? Was sagt forsa über die Stimmung im Lande bei einem ausgewachsenen Stromausfall?
Vom fernen Ausland kann ich das nicht mitfühlen, denn hier gibt es Strom ohne Ende, soviel, daß man sogar nagelneue Kraftwerke für mehrere Wochen stillsetzen kann.
Also, was fühlt der gemeine Deutsche in so einer Ausnahmesituation?
Ich denke zuerst an die Ruhe und Stille. Keine Hektik. Kein Verschlafen. Kein Zuspätkommen. Alles auf Slo-Mo. Die kleine Welt hält inne und verschnauft. Kurze Auszeit.
Endlich Stille. Nicht unheimlich, sondern entspannend, kein Fernseher, keine Bässe vom Nachbarn, kein Klingeln wegen Scheiß-Postwurfsendungen, keine Weihnachtslieder im Supermarkt. Nur das Knirschen des Schnees und spitze Schreie fliegender Omas.
Sichtbare Stille, Sterne sind sogar am Großstadthimmel zu sehen, es gibt keine Lichtverschmutzung, ausnahmsweise. Leise stapfen Wanderer zwischen den Welten, mit Taschenlampen bewaffnet, vom Not-Konsum zur Notunterkunft, wie Kinder beim Laternenumzug. Liebe Erinnerungen werden wach. Man rückt zusammen. In der Turnhalle trinkt man mit seinem Nachbarn ein paar eiskalte Biere, wie man es schon lange vorhatte.
Die Daheimgebliebenen haben gerade einen feinen Eintopf direkt aus der Dose gierig vertilgt, den sie - wie damals auf dem Zeltplatz - mit dem Feuerzeug erwärmt hatten. Nun kneten sie sich gegenseitig im romantisch kerzenbeschienenen Schlafzimmer unter der Deckenburg die klammen Finger und Zehen, haben plötzlich Zeit für solche unwichtigen Dinge. Sie tuscheln leise und freuen sich diebisch, im schummrigen Supermarkt die letzte Packung Teelichte eingesackt zu haben. Eisblumen am Fenster und geplatzte Abflußrohre bringen noch mehr Gemütlichkeit. Neun Monate später werden die demografischen Auswirkungen (Stichwort: Bevölkerungsbewegung, horizontale Mobilität) dieser kleinen Lichtpause Schlagzeilen in allen Zeitungen sein.
Die Kinder haben natürlich Schulfrei, die Bildungseinrichtungen sind schließlich von lokalen Asylanten belegt. Schneemannbauen und Schlittenfahren den ganzen Tag! Extra-Ferien!
Das Abenteuer kommt zurück ins wahre Leben der eingeschlafenen Zivilisation! Meterlange Eiszapfen an armdick überfrorenen Stromleitungen begeistern sensationslüsterne Tagediebe, bevor die sich zuckend am Boden wälzenden Kabelschlangen sie fressen. Meterhohe Schneewehen sind kein Ärgernis, sondern Naturschauspiel. Man hilft seinem Nächsten gern, Seit an Seit mit schnaufenden Sträflingen in schweren Ketten den sommerbereiften LKW freizuschaufeln, was hat man sonst zu tun?
Ist Stromausfall geil oder nicht???

[] Kaliningrad / Dienstach, 29. November 2005

Ich muß leider drinnen bleiben.

Der Zoo ist an diesem dunkelgrauen und nieseligen Sonntagnachmittag wie ausgestorben. Die Mehrheit der Tiere (und Menschen?!) ist weggesperrt oder hat sich in die Gemächer zurückgezogen. Affen randalieren jetzt - von 10 bis 16 Uhr zu besichtigen - hinter Glas, Nashorn, Pelikane, der alte Löwe, Giraffe und Elefant sind ins warme Dunkel gezerrt, sogar die braunen Bärchen fehlen unentschuldigt. Die karge Zeit beginnt, Weißbrot wird rar. Ein Wallaby hockt allein auf der weißen Wiese, die junge Bisondame erleichtert sich seelenruhig mit einem dampfenden gelben Strahl in Richtung des erfreuten Publikums, Robben planschen gelangweilt in ihrer grünbraunen Brühe, die Schneeleoparden haben das bißchen weiße Pracht bei ihren trägen Runden durchs vergitterte Revier schon plattgetrampelt. Der Eisbär schläft - offenbar hochzufrieden - auf seinem Felsen. Alles auf Sparprogramm. Einzig am Teich die Enten balgen sich lautstark um etwas Futter. Und der Hirsch röhrt wie gewohnt.
Die Eulen in ihren winzigen Käfigen warten großäugig auf die Nacht, und sie kommt schnell. Das runzlige Tageslicht macht sich schon davon. Und das Tor für die wenigen, die diesen so heiter-beschwingten Ort verlassen dürfen, wird pünktlich verschlossen. Um 5.

[] Kaliningrad / Sonntach, 27. November 2005

Ein Sonnentag.

Ich linste durch das Fenster und sah sie hinter den Baumskeletten durch die Wolken blitzen, ja, sie war es! Wer hätte gerade sie hier erwartet? Ich nicht. Mein Blick glitt höher, blau! Blau? Meine Gedanken überschlugen sich, was sollte ich zuerst tun? Waschen und Zähneputzen! Ich übersprang das Frühstück und machte mich auf die Socken. Wenig später entließ mich der Bus an den verschneiten Ostseestrand, der unter wolkenlosem Himmel einfach so dalag und ungeduldig darauf wartete von mir 217mal abgelichtet zu werden! Was für ein Model!

[]Selenogradsk / Samschtach, 26. November 2005

Schöffncon.

Man versuche Schneemann mithilfe der T9-Funktion meines grandiosen Hand-Ypsilons in eine Kurzmitteilung einzutippen, heraus kommt das obige Wort in der offensichtlich neuen Rechtschreibung. Ein Schneeball wird wiederum zum Schneecckl, die Schneeballschlacht (mit zwei Aussetzern) zum Schneeccklsagbau, Schneetreiben zu Schöffüreiben, Schneegestöber zu Schöffierunces. Herrlich, wie uns die intelligente Elektronik das Leben erleichtert.


Bild rechts: Der erste selbstgerollte Schneemann der Saison. Er sieht mit sich ganz zufrieden aus.

[] Kaliningrad / Freitach, 25. November 2005, später

KKalt.

Harrt der Bürger winterabends auf einem windgebeutelten öffentlichen Platz in einer beliebigen Stadt unserer geografischen Breiten, verstärkt sich die Wirkung der entfesselten Elemente mit der Zeit in Form einer nicht näher benannten logarithmischen Funktion. Aus dem Rumpf hervorragende Körperteile sind - besonders wenn unverhüllt - der jahreszeitlich bedingten Kühle auf schmerzliche Weise ausgesetzt. Sie demonstrieren dies durch Farbänderung ins Rote (etwas später ins Schwarze) und eine gewisse Gefühllosigkeit. Aufgrund der frisur-nivellierenden Wirkung von Mützen und des unter Richtungssetzern der Modewelt umstrittenen Liebreizes gestrickter Stirnbänder trotze ich bis dato alljährlich deren wärmenden Versprechen. Aber könnte mir nicht jemand eine Nasenkappe stricken?

[] Kaliningrad / Freitach, 25. November 2005

Liegenbleiben!

Wissen wir nicht alle um die erhellende Wirkung von Schnee, der den Unterschied von einem beschwingten Idealwintertag zu einem typischen vorweihnachtlichen Regentag ausmacht wie wir Tieflandjodler ihn seit gefühlten Ewigkeiten durchleben? Sind wir, denen eine hie und da beklagte Winterallergie fremd ist, nicht entzückt und froh wenn die Flocken tanzen?

[]Kaliningrad / Mittwoch, 23. November 2005

Die Meise.

'Scheise', sagt die Meise und flattert aufgeregt umher, 'nu is schon wieder Winter und ich hab' nix einjekauft'. Wieder ist sie überrascht vom weißen Gewand, das sich die Bäume im Zentralpark plötzlich umgeworfen haben. Wie auf Eiern staksen die Spaziergänger vorbei, Schneeräumen als auch Streuen sind hier eine weitestgehend unbekannte Disziplin. Die zugereisten Kaliningrader mummeln sich in ihre Pelzmäntel und ziehen die Mützen ins Gesicht, als wären sie noch in Sibirien oder im Kaukasus und das Quecksilber am unteren Ende der Skala festgefroren.
Doch mit der Pracht ist es für's erste wieder vorbei, der Winter wollte nur mal Muskeln zeigen, er hat's nicht ernst gemeint, war nur ein Test. Der Schnee wird zum Matsch, der Matsch zu metertiefen Pfützen, aus denen im Frühjahr wieder die verunfallten Schlittschuhläufer gefischt werden.

[] Kaliningrad / Mittwoch, 23. November 2005

Wer wird denn gleich in die Luft gehen?!

Ich! Über den Wolken ist das Wetter ja wieder so nett, da will man doch den Piloten mit sanfter Gewalt überreden, oben zu bleiben, es gibt doch Tankflugzeuge, man braucht doch eigentlich garnicht mehr runterkommen?! Und meine Influenza ist noch nicht ganz ausgeheilt, der Druckausgleich beim Sinkflug funktioniert nicht reibungslos, es gilt die alten Tricks auszugraben, als ich noch Robbe war und mir die Nase zugehalten habe beim Abtauchen. Alte Geschichte.

[]Warszawa / Montach, 21. November 2005

Was will der Künstler uns damit sagen?

Also, was ein Fraktal ist, weiß man ja, nämlich die 'Menge, deren Hausdorff-Besikowitsch-Dimension größer ist als ihre topologische Dimension.' Nun gilt es noch zu klären, was die Künstler der wieder einmal letzten Ausstellung 'Fraktale IV - Tod' im zugigen Stahlgerippe am Schloßplatz mir eigentlich sagen wollten (Und wo sind die ersten drei Fraktale hin?). Schon die Vorgängerin dieses künstlerischen Exzesses bereitete mir und den Mitreisenden bekanntlich einiges Kopfzerbrechen. Aber kneifen gilt nicht, da muß man ran an die Kunst, sich fallenlassen, sich vollsaugen und alles einfach einwirken lassen. Und läßt man den Untertitel der Ausstellung nochmal tief einwirken (Kochwaschgang!), wird alles plötzlich klar: '29 Positionen zeitgenössischer Kunst zum Phänomen Tod'! Das erklärt einiges. Wenn auch nicht alles. Und mit 'Para' (nicht im Bild) ist mir bei der Gesichtsmaske mit zwei aus dem Mund ragenden Drähten, auf denen eine Schlange liegt, noch nicht hinreichend auf den Weg geholfen. Aber was kann man von mir Kunstamateur erwarten! Den Knäuel Rettungsringe hingegen fand ich einfach nett anzusehen, die Bedeutung war mir damit hinreichend scheißegal (die klitzekleinen Titelschilder waren auch gut versteckt). Das arme blutende Mammut (nicht im Bild), dem wohl bei lebendigem Leibe das Fell ausgerupft wurde, hat mich sehr betroffen gemacht (schnief) und technisch interessiert - da steckt 'ne Menge Arbeit drin, der/die Künstler/in sollte sich also tatsächlich was dabei gedacht haben!?! Oder waren die Steuergelder doch für die Katz???

[]Nachtrag für Berlin / Sonnahmt, 19. November 2005

Zuhause bei Pergamons.

Wie bei jedem Otto-Normalsterblichen meiner Generation und Stammeszugehörigkeit mit geradem Wuchs und festem Stuhlgang datiert auch meine letzte Berührung mit musealer Kultur zurück in äonenjahrealte Vergangenheit, in eine Zeit, als der antifaschistische Schutzwall uns noch gegen Klingonen, Trojaner und anderes Kroppzeug verteidigte. Lang ist's her. Und man sollte doch hin und wieder was total Verrücktes tun!
Der Himmel betongrau, Außentemperaturen nähern sich der Null. Statt den Tag sinnlos zu vergeuden, wende ich mich der Stadtmitte zu, dorthin, wo sich Familie Pergamon auf einer Insel neben den S-Bahngleisen ein kantiges Heim gebaut hat, dessen zahlreiche, karg möblierte Wohn- und Eßzimmer mit vielerlei Gestein vollgestellt sind. Alle sind sie zuhause, fesch gekleidet in Anzug und Krawatte, um mich und die anderen Wißbegierigen zu begrüßen, uns den Mantel und etwas vom Ersparten abzunehmen. Dann geht es auch schon los, man kommt daran nicht vorbei, am Familienaltar, bescheidene 113 Meter Fries, leicht angestoßen. Und weil den Leuten normale Türsimse zu profan sind, stehen Tore dort, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat. Hier ein blaues, da eins mit gigantischen Säulen, fein beschriftet, damit man sich nicht verläuft. Und die ganze Bude vollgestopft mit versteinerten Menschen und Tieren, Säulen, Särgen, keine Handbreit frei für ein Bett oder einen Tisch - wie kann man hier wohnen? Ich trau mich nicht zu fragen. An den Wänden Vitrinen mit handlicheren Figuren und Gegenständen, aber anfassen darf man nix. Typisch.
Oben gibt's was, das mich an das Buch erinnert, das ich gerade zuende gebracht habe, skelettierte Reste armer Tropfe, deren Körpersäfte in der heißen Aschewolke des Vesuvs im Sommer 0079 geradezu verdampften. Entdeckt wurden sie erst vor ca. 20 Jahren in Herculaneum am Golf von Neapel, die Stadt war damals unter bis zu 25 Metern Lava begraben worden und ist immernoch nicht ausgebuddelt. Pietätvoll wie man mich kennt, habe ich nur ein paar Fundstücke fotografiert, alles ohne Blitz und Anlehnen, beides nicht gestattet, sind etwas eigen, die Pergamons.
Leider muß ich schon wieder fort, es dunkelt und ich bin ohne Licht da, ich bedanke mich überschwänglich bei den Leuten wie es so meine Art ist, sie schauen etwas verstört, aber mit einem Augenzwinkern geben sie mir den Tip, doch mal bei ihren genauso abgedrehten Nachbarn, den Bodes vorbeizuschauen, oder diesen ...ehm... na diesen da, bei denen die Bude leer ist, aber die ganzen Wände voller Bilder hängen! Ich schüttle den Kopf, Leute gibz!

[]Berlin / Freitach, 18. November 2005

Die Wollmaus.

Gemeine Wollmaus (mus pulveris domo), Ordnung der Haufenartigen (acervalis). Farbe gräulich. Körper 3-5cm, unter Idealbedingungen auch größer. Fortpflanzung ungeschlechtlich durch Akkumulation. Kann ungestört sehr alt werden. Lebt ganzjährig in luftigen, trockenen Wohnräumen, gern hinter Türen, unter Schränken oder in Ecken. Flüchtet in weiten Sätzen. Allesfresser, vor allem Hausstaub, Haare, Hautschuppen. Kein Schädling. Einziger Feind ist der Mensch, meist der weibliche.
Nicht vom Aussterben bedroht.

[]Berlin / Donnerstach, 17. November 2005

Altes Eisen.

Sie war in den Tropen, sie war in der Wüste, sie war in den gemäßigten Klimazonen bei mir, fliegende Wechsel, Sommer und Winter, Trockenzeit und Monsun, sie verewigte wichtige und nichtige Momente mit derselben unbarmherzigen Gefolgsamkeit wie seinerzeit ihre wackere Vorgängerin, sie waren aus dem gleichen Stahl geschmiedet. Nie hat sie geklagt, hat alles geschluckt, Feuchtigkeit, Wüstenstaub, nun kreischt sie müde und angestrengt wenn sie raus muß, ein gequältes Bitte wechseln Sie den Akku erinnert mich daran, was sie durchmachen mußte, ich nehme ihr das nicht mehr übel, jetzt, wo ihre Nachfolgerin angetreten ist um mir ebenso treu zu dienen. Adieu.

[]Berlin / Montach, 14. November 2005

Berlin, Schloßplatz.

Ich schäle mich endlich aus der Bude, sattle den Drahtesel und will mal schauen, was sich in meiner Stadt tut. Den Vorwurf, sie nicht zu kennen, will ich mir nicht machen lassen. Die Mitte steht voller Barrieren, Volkstrauertag, die Staatsmacht hat sich angekündigt. Gleichzeitig werden die unweigerlichen Weihnachtsmärkte (beim Schreiben dieses Wortes hat sich eine Mischung aus Wut und Ekel meinen Rücken heraufgeschlichen - jetzt schon?!) aufgebaut und die Straße Unter den Linden generalüberholt. Die Innenstadt ist eine riesige Baustelle - da sage noch einer, es herrsche Todesstarre in Deutschland!

[]Berlin / Sonntach, 13. November 2005

Auf ein Bintang nach Bali.

Ökologisch unverantwortlich, Verschwendung und der Erholung nicht zuträglich, so würde ich die bizarre Idee verdammen, für eine Woche Urlaub einundzwanzig Stunden ans andere Ende der Welt zu fliegen, um mit jemandem ein Bier an der Poolbar des Hotels Bali Mandira zu zischen. Aber mich fragt ja niemand. Dennoch, manche Gelegenheiten kommen so schnell nicht wieder, so wurde der verrückte Vorschlag meines Kollegen P. zuerst bedenkenswert, dann machbar, zuletzt Realität. Damit hatte nicht mal er gerechnet... Und wie kann man einen neuen Paß besser einweihen als mit einem Stempel von Bali?
Mittwoch, 02.11.05, Berlin: TXL-AMS-KUL-DPS: die nette Reisebürotante findet einen Flug für Freitag. Ich packe meinen kleinen Rucksack mit dem Allernötigsten.
Freitag, 04.11.05, Schiphol: Auf Banknoten wurden bis zu einundzwanzig Krankheitserreger gefunden - was man aus der Zeitschrift im Flieger so lernen kann. Warum darf der Sushi-Schmied denn abkassieren mit den Gummihandschuhen mit denen er die Algen um den Reis rollt? Zieht er die Gummis aus wenn er auf's Klo geht? Und die Bäckereifachverkäuferin, so ganz ohne? Es fängt gerade an zu regnen, als hunderte Urlauber aller Nationen mit mir auf den Einstieg in den roten Jumbo nach Kuala Lumpur warten. In Tegel hatte das Abfertigen gestockt, da mehrere offensichtliche Lebensabschnittsurlauber ihren ganzen Hausrat auf mehrere Schrankkoffer verteilt hatten und ganz erstaunt waren, daß sie was extra zahlen sollten - Anfänger! Und dann noch das Handgepäck!
später, über Kabul: Meine Augen sind müde. Dann, über der Andamanensee, nach drei Filmen und zwei Happy Meals, zerknautscht, leicht reizbar, frage ich mich nach dem Sinn dieses Ausflugs. Bedeckt und schwül in KL, bitte nein, für so ein Wetter bin ich nicht hier.
Samstach, 05.11.05, Bali, endlich: Lockere Bewölkung, ich werde zum Hotel chauffiert, erste Dusche, an die Poolbar, ein Bintang ungestört. SO soll's sein. Und wenig später kann ich mit P. anstoßen auf das unverhoffte Treffen.
Donnerstach, 10.11.05: Was haben wir eigentlich die "ganze Woche" gemacht?! Rafting durch Millionen von quiekenden Fledermäusen, die im Halbdunkel herumflatterten oder in Trauben von den steilen Felswänden hingen - ohne fotografische Beweise, Bintang und Bacardi-Coke galore, Einkaufsbummeln bis zum Abwinken, Lungern am Pool...
Freitag, 11.11.05: Am letzten Tag raffen wir uns doch noch auf, die Beweisfotos für diesen Urlaub zu machen und die heißesten Wellenreiterstrände zu überprüfen - Padang-Padang (balinesisch Gras-Gras, also viel Gras), der kleine feine Strand, wo man aber doch nicht von den wie Fliegen herumschwirrenden T-Shirtverkäuferinnen verschont bleibt, hier nehmen wir das letzte Bad im Indischen Ozean. Weiter nach Uluwatu, kein Strand, nur Steilfelsen, die man herunterklettern muß wenn man so wagemutig ist, sein Reitbrett hier ins Wasser zu werfen. Beide Plätze warten mit massive swell auf, nichts zu reißen für Halbamateure.
Letzte Station Uluwatu-Tempel, der Ort der frechen Affen, von denen ein besonders aufmerksames Exemplar mir beim letzten Besuch die Brille vom Gesicht geklaut und sie angeknabbert und originell verbogen hatte. Natürlich war ich gewarnt worden, aber so clever können die Affen doch garnicht sein?! Ein aufmerksamer Beobachter hatte den Kleinen dann mit Erdnußtüten bombardiert, woraufhin der - eher erschrocken als erfreut - die Brille fallenließ und sie fast in den Abgrund gesegelt wäre. Für einen Obulus bekam ich sie zurück. Damals. Doch jetzt haben die Affen keinen Bock, Nebensaison, keine Besucher, da fangen die garnicht erst an. Die See unter dem Tempel brodelt, alles weiß. Und die halbe Stunde ist um, als ich ein russisches Pärchen affenfütternd und -filmend eine Sprache sprechen höre, die mir bekannt vorkommt und die ich doch schon eine Woche weitestgehend vergessen hatte... Auf zum Flughafen, DPS-KUL-VIE-TXL, der Tortur zweiter Teil. Letzter Balinesischer Sonnenuntergang am Flugsteig 5.
Samstach, 12.11.05, über der Andamanensee: Ich erfreue mich des Metallmessers, mit dem ich das erste Happy Meal zerteile, gab es doch nach gewissen Terroranschlägen albernerweise Plastikmesser zu Metallgabeln... wahrscheinlich paßt heute der Sky Marshal auf, daß niemand Böses tut.
noch 45 Minuten bis Wien: Merke: wenn ein Deoroller in der Flugzeugtoilette beim schwungvollen Abschrauben des Deckels den Druckausgleich vornimmt, kann die Kabine mit seinem weißlichen Inhalt dergestalt dekoriert werden, daß der nächste Naßzellenbesucher auf abwegige Gedanken kommt. Also Vorsicht!
Berlin-Tegel, halb 9 morgens: Die Sonne scheint schüchtern durch den leichten Nebel, ein schöner Tag! An den Verrückten mit den Sombreros, Schwimmflossen, Drachen, gigantischen vieleckigen Paketen vorbei dränge ich mich zur Bushaltestelle. Zuhause. Endlich. Schade.

[]Berlin / Sonntach, 13. November 2005

Massive Swell.

Die swell ist die ganze Zeit so massive, daß die waves viel zu messy sind, um darauf surfen zu können, klärt mich mein fanatisch wellenreitender Mitkurzurlauber auf, und in der Tat, ich hab's ausprobiert - die swell ist wirklich zu massive! Riesenwellen, die niemanden tragen wollen und stattdessen in weißer Gischt in sich zusammensinken. Wenn's da nicht noch anderes gäbe, wäre der Urlaub versaut.

[]Kuta / Freitach, 11. November 2005

Was ist anders?

Warum sieht ein Herbstbild wie ein Herbstbild aus? Warum geht ein Herbstbild niemals als Sommerbild durch (oder gar als Winterbild??)? Liegt es an den Bäumen und diesen vielen Dingern, die da so runterflattern? An dem Licht, das sich immer schon so früh rar macht? Und dadurch schon um sechzehn Uhr Nachtbilder möglich sind? Oder daß der Schnee fehlt? Ich weiß es nicht. Aber dieses Endzeitgefühl ist quasi da so unsichtbar eingebrannt, so wie in diesem Film, wo die kleinen Kindergenies sich in .gif-Bildern versteckte Textnachrichten schicken, genauso, oder wie in so 'nem Kinderfilm, wo ein perverser Filmvorführer ein Stück Porno reingeschnitten hat, das man nur für Sekundenbruchteile sieht und glaubt man spinnt. Is' doch so, oder? Naja, ich sag ja nur.

[]Berlin / Donnstertach, 03. November 2005

Alles wird gut.

Wollmäuse haben sich Blutblasen gelaufen und verschnaufen an den Zimmerecken. Milben knabbern tief im Allerinnersten der Matratze an ihren eisernen Reserven. Armer Schimmel hat verzweifelt die letzte vergessene Scheibe Brot überwältigt und kommt nicht weiter. Spinnen hungern in ihren verstaubten Weben. Die schwarzbraune Erinnerung einer Banane liegt verkrüppelt auf der Küchenplatte. Im Kühlschrank das Glas Senf harrt standhaft der Würstchen mit Kartoffelsalat. - Erlösung.

[]Berlin / Dienstach, 01. November 2005

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.